31. Oktober 2018

BILDUNGSZENTRUM ARBON : Fördern, aber wie?

Das Bildungszentrum Arbon (BZA) bietet seit dem Schuljahr 2013/14 einen Förderkurs an. Im Vordergrund steht dabei, die Selbstkompetenz der Lernenden zu stärken und ihre Lernmotivation zu verbessern. Ein Konzept, das sich für Lernende, Lehrbetriebe und Schule auszahlt.

Gilbert Piaser | redaktion@oberthurgau.ch

Estelle Reichelt erklärt einer Lernenden die deutschen Zeitformen, indem sie gemeinsam mit ihr ein Schema entwirft. (Bild: Bildungszentrum Arbon)
Estelle Reichelt erklärt einer Lernenden die deutschen Zeitformen, indem sie gemeinsam mit ihr ein Schema entwirft. (Bild: Bildungszentrum Arbon)

Dienstagmorgen im BZA: Wenn Estelle Reichelt ihre Lernenden zum Förderkurs begrüsst, führt der Weg zuerst zur Tafel. Hier hängen die Tagespläne, in die sich alle Teilnehmenden eintragen. Dies dient nicht allein der Anwesenheitskontrolle, sondern ist für die Berufsfachschullehrerin ein wichtiges Instrument, um sich einen Überblick über die anstehenden Themen und Ziele der jeweiligen Doppellektion zu verschaffen. Die derzeit 33 Schülerinnen und Schüler des Förderkurses absolvieren eine Lehre im Detailhandel und kommen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Lernschwierigkeiten in den Unterricht.

Die drei mit dem Förderunterricht betrauten Lehrkräfte haben die ganze Bandbreite des Lernstoffs ihrer Schützlinge im Blick und leisten Hilfestellung für jedes der fünf obligatorischen Unterrichtsfächer. Sie verstehen sich primär als Impulsgeber. «Wir unterstützen die Lernenden dabei, sich selbständig konkrete Lernziele zu setzen und Methoden zu entwickeln, wie sie diese Ziele erreichen können“, erläutert Estelle Reichelt das Konzept. Für die Jugendlichen besteht die grösste Herausforderung zunächst darin, das eigene Leistungsvermögen und die eigene Lernbereitschaft richtig einzuschätzen. Ein grosser Teil von ihnen hat sich in seiner bisherigen schulischen Laufbahn als minderwertig wahrgenommen und traut sich deshalb nur wenig zu. Im Förderkurs sollen diese Lernenden sukzessive ein positives Selbstbild aufbauen, indem sie den eigenen Lernfortschritt planen und evaluieren. Die Lehrpersonen greifen ihnen bei diesem Prozess unter die Arme, helfen zum Beispiel beim Erstellen eines Wochenplans. In einigen Fällen ist es auch sinnvoll, den Lehrbetrieb «ins Boot zu holen», um optimale Lernbedingungen zu schaffen, sei es durch zusätzliche Freiräume, die während der Arbeitszeit zur Verfügung gestellt werden, oder durch engmaschige Betreuung bei den Hausaufgaben.

Auf Seiten der Lernenden fällt das Fazit überwiegend positiv aus, wie das Beispiel Gabriela Lijovic zeigt. Dass sie im vergangenen Juni ihre Lehre als Detailhandelsfachfrau erfolgreich abschliessen konnte, ist nicht zuletzt auch ein Verdienst ihres Einsatzes im Förderkurs. «Ich habe beim Förderkurs sehr geschätzt, dass sich die Lehrpersonen viel Zeit für uns Lehrlinge genommen haben und uns das meiste intensiv erklärt haben.» Störend im Förderkurs war für die Lehrabgängerin nur, dass sich Lernende aus zwei Lehrjahren das Klassenzimmer teilen mussten: «Da war schnell mal die Konzentration weg.» Im gleichen Atemzug erwähnt die ehemalige BZA-Schülerin aber, dass sie während des Förderkursbesuches auch immer vom engen Austausch mit ihren Mitlernenden profitiert hat.

Der Erfolg des Förderkurskonzepts am BZA – zusammen mit ergänzenden Massnahmen – lässt sich messen. Seit Einführung des Förderkurses im Schuljahr 2013/2014 hat sich in den vergangenen fünf Jahren die Durchfallquote in der Abteilung Detailhandel auf weniger als der Hälfte der Vorjahreswerte eingependelt. Darüber hinaus reduzierte sich die Zahl der schulleistungsbedingten Lehrabbrüche oder -umwandlungen deutlich. Zu beobachten ist dies ebenfalls in der Abteilung Technik, die ohnehin schon sehr tiefe Durchfallquoten verzeichnet.

Solche Entwicklungen sorgen für zufriedene Gesichter bei allen Beteiligten – nicht zuletzt bei den Lehrbetrieben, auf deren Kooperationsbereitschaft das BZA bei der Durchführung des Förderkurses angewiesen ist. Der Besuch des Förderunterrichts erfolgt in zwei Lektionen während der Arbeitszeit bei voller Lohnzahlung. Nicht jeder Schüler darf deshalb den Förderkurs besuchen. Bedingung dafür ist im ersten Lehrjahr ein Notendurchschnitt von bestenfalls 4,2. Klassenlehrperson und Fachlehrer prüfen bei auftretenden Lernschwierigkeiten umgehend eine Teilnahme. Dem Prinzip der Eigenverantwortung folgend, stehen die betroffenen Lernenden aber selbst in der Pflicht, sich um die Anmeldung zum Förderkurs zu kümmern und dafür das Einverständnis des Lehrbetriebs zu holen.

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